Die doppelte Diktatur. Erfahrung mit Diktatur in der DDR und Auswirkungen auf das
Verhältnis zur Diktatur heute
Bei den heutigen Diskussionen über Rechtsextremismus geht es weniger um dessen primär
rassistische Ideologie, also um eine inhaltliche Auseinandersetzung, sondern darum,
wie in der freiheitlichen Demokratie generell mit politischen Gruppierungen umgegangen
werden soll, deren Ziel die Errichtung einer wie auch immer gearteten diktatorischen
Herrschaft ist. Wie kann verhindert werden, dass die Möglichkeiten freiheitlicher
Demokratie genutzt werden,um deren Abschaffung zu betreiben? Es geht also wesentlich
um die alternativen Konzepte von diktatorischer Herrschaft einerseits und der freiheitlichen
Demokratie einer offenen Gesellschaft andererseits.
Hinsichtlich persönlicher Erfahrungen mit Diktatur und freiheitlicher Demokratie
haben wir im Osten andere Erfahrungen als die Westdeutschen. Viele von uns haben
bis zur friedlichen Revolution ausschließlich unter diktatorischen Verhältnissen
gelebt. Diese dauerten im Osten Deutschlands von 1933 bis 1989, also insgesamt etwa
56 Jahre. Unsere Erfahrungen mit der Demokratie reichen dagegen gerade einmal 15
Jahre zurück.
Im Westen Deutschlands folgte der NS-Herrschaft eine parlamentarische Demokratie.
Die Sicht auf das NS-Regime bestand hier bis in die Gegenwart also aus einer direkten
Rückschau auf das vorangegangene diktatorische System. Anders ist die Sicht bei uns.
Auch in der Sowjetischen Besatzungszone und im Ostteil Berlins gab es zunächst Hoffnungen
auf einen freiheitlich-demokratischen Neuanfang. Sie zerschlugen sich schnell, als
die sowjetische Besatzungsmacht in ihrer Zone mit dem Recht des Siegers eine kommunistische
Vasallendiktatur errichtete. Zwölf Jahren nationalsozialistischer Diktatur und Krieg
folgten weder Freiheit noch Demokratie wie im Westen, vielmehr gab es einen Nachschlag
von noch einmal über vierzig Jahren Diktatur.
5. Gesprächskreis, Podiumsdiskussion,
Dr. Richter (2. von links)
Die ab 1945 in der SBZ/DDR Geborenen erlebten bis 1989 nur die kommunistische Diktatur.
Der DDR-Lyriker Uwe Kolbe sprach von den nach dem Mauerbau 1961 auf die Welt gekommenen
als von der Generation der Hineingeborenen. Wer also heute in Dresden oder Erfurt
lebt, hat bis 1989 vor allem oder ausschließlich Erfahrungen mit der SED-Diktatur
gesammelt, egal ob auf der Seite der Macht oder als deren Opfer oder beides zugleich.
Während die Diktatur in der „Ostzone“ den Bundesdeutschen und West-Berlinern meist
als abschreckendes Beispiel vorgeführt wurde, mussten wir uns in der DDR damit irgendwie
arrangieren. Die Diktatur wurde schon ab dem Kindergarten als das bessere und zukunftsweisende
Modell verkauft. In Staatsbürgerkunde und im Wehrkundeunterricht lernte man, wie
die „Diktatur des Proletariats“ vor Angriffen der freiheitlichen Demokratien zu verteidigen
sei, derweil die vermeintlichen Angreifer lieber auf Mallorca Strandkörbe okkupierten.
Diktatur war offiziell „in“, freiheitliche Demokratie „out“.
Neben und in Beziehung zu dem stets und überall offiziell vermittelten, positiven
Bild von der Diktatur des „real exerzierender Sozialismus“, wie der Volksmund spottete,
gab es aber auch noch unzählige, untereinander und in sich selbst widersprüchliche
Lebenserfahrungen mit dem diktatorischen System. Sie prägen im Osten bis heute das
Bild, das jeder Einzelne von der DDR hat. Je nach Stellung im System, Alter, Beruf,
Wohnort, persönlicher Art und Befindlichkeit und so weiter unterschieden sich diese.
Bärbel Bachholz oder Peter Schreier haben die DDR anders erlebt als die inhaftierte
Bürgerrechtlerin aus dem Leipziger Osten, der Parteisekretär eines Kombinats oder
der Fahrer des Abraumbaggers im Lausitzer Braunkohletagebau. Volker Braun hat letzteres
Beispiel in seiner Erzählung „Die Kipper“ schon zu DDR-Zeiten mit gebotener Zurückhaltung
thematisiert.
Unsere damaligen Erfahrungen mit dem diktatorischen Charakter des Systems prägen
bis heute unser Verständnis von dieser Diktatur und damit von Diktaturen generell.
Sie haben damit auch direkte Auswirkungen auf die Meinung über die NS-Herrschaft
und die heutige Bereitschaft, rechtsradikale Parteien zu unterstützen. Die Erinnerungen
an die DDR-Zeit sind generationsbedingt wesentlich intensiver als an die NS-Diktatur.
Sie vor allem mischen sich heute im Osten mit den ebenso unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten
im politischen, wirtschaftlichen und sozialen System der Bundesrepublik. Wer heute
Hartz IV-Hilfeempfänger ist und damals auf der LPG kein schlechtes Auskommen hatte,
erinnert sich vielleicht gern an früher. In seiner Erinnerung war damals alles besser,
sogar jünger war man. Wenn er dann hört, dass er heute frei und demokratisch lebt,
früher aber unterdrückt wurde, dann ist es vielleicht nicht weit zum Schluss, dass
Diktatur jedenfalls so schlecht nicht sein muss.
Nun wurde in der DDR aber nicht nur ein positives Bild von der SED-Alleinherrschaft
gezeichnet, das ungebrochene Verhältnis zur eigenen Diktatur prägte auch die Darstellung
der NS-Diktatur durch die SED. Abgerundet wurde der offizielle Eindruck schließlich
vom negativen Bild der freiheitlich-demokratischen Ordnung in der Bundesrepublik
bzw. dem Westen insgesamt. Diese SED-Sichtweisen leben in vielen Köpfen bis heute
weiter. Die offizielle SED-Sicht auf das nationalsozialistische System lässt sich
knapp mit den Begriff „Antifaschismus“ umschreiben. Er diente der ideologischen Legitimierung
der SED-Diktatur.
Der Begriff entstand in der Zeit des italienischen Faschismus Anfang der 20er Jahre,
als sich viele Antifaschisten aus freiheitlicher Überzeugung gegen Mussolini wehrten.
Die meisten von ihnen waren aus vergleichbarem Grund freilich zugleich Antikommunisten.
Der „Antifaschismus“ wurde zum europäischen Phänomen, als sich weitere faschistische
Regime bildeten. Aber auch nach der Machtübernahme der deutschen Nationalsozialisten
bedeutete Antifaschismus zunächst keinesfalls eine inhaltliche Festlegung auf kommunistische
Positionen. Auch Demokraten nannten sich „Antifaschisten“. Der Begriff umfasste Ablehnung
faschistischer Herrschaft sowohl von demokratischen als auch von gegendiktatorischen
Positionen aus wie bei den Kommunisten.
Das änderte sich immer mehr, je mehr sich „Antifaschismus“ zur ideologischen Doktrin
der an Moskau orientierten Kommunisten entwickelte. Diese lehnten es ab, Parallelen
zwischen der diktatorischen Sowjetmacht und den faschistischen Diktaturen zu ziehen,
sie sahen eher Parallelen zwischen allen Anhängern des Kapitalismus. Daher wurde
der Antifaschismus-Begriff nun auch auf sogenannte „gegenrevolutionäre“ Kräfte ausgedehnt.
Auf dem V. Weltkongress der Komintern im September 1924 hieß es: „Der Faschismus
und die Sozialdemokratie sind die beiden Seiten ein und desselben Werkzeuges der
großkapitalistischen Diktatur.“ Die KPD werde diese „Sozialfaschisten“ bekämpfen.[1]
Die sächsische KPD-Zeitung „Der Bolschewik“ schrieb im Januar 1932, also kurz vor
der NS-Machtergreifung : „Die entscheidende Partei, die der Bourgeoisie die Massenbasis
für die Sicherung ihrer Diktatur liefert, ist nicht die NSDAP, sondern die SPD mit
ihrem Anhang der Arbeiterklasse. ... Faschismus ist eine Form der Diktatur der Bourgeoisie,
die SPD dagegen ist die Stütze der Bourgeoisie, die jede Form der kapitalistischen
Diktatur unterstützt.“[2]
Das ideologische Gegenstück zum „Antifaschismus“ der Kommunisten war der „Antibolschewismus“
der Nationalsozialisten. Auch hier wurde das gegnerische System nicht von einem demokratischen
Standpunkt aus beschrieben oder bekämpft, sondern von der Warte des ideologisch-diktatorischen
Antipoden. Wie kommunistischer „Antifaschismus“ dem Nationalsozialismus kein demokratisches,
sondern ein diktatorisches Gegenmodell entgegenstellte, so tat dies umgekehrt der
Nationalsozialismus mit seinem „Antibolschewismus“.
Kennzeichnend sowohl für den „Antifaschismus“ wie für den „Antibolschewismus“ war
und ist, dass sich die Stoßrichtung nicht allein gegen die jeweilige Gegendiktatur
richtete, sondern zugleich auch gegen freiheitlich-demokratische Ordnungen. In der
NS-Ideologie ist die „weltweite Verschwörung des internationalen Judentums“ die treibende
Kraft sowohl des Bolschewismus als auch des kapitalistischen Weltsystems mit den
USA als Zentralmacht. Umgekehrt resultiert aus der marxistischen „antifaschistischen“
Sichtweise auch die tendenzielle Gleichsetzung der Bundesrepublik bzw. des Westens
mit dem NS-Staat.
Die Funktionalisierung des „Antifaschismus“ in der SED-Diktatur hat den Begriff m.
E. endgültig diskreditiert. Er wird heute meist nur noch von Anhängern linker Ideologien
oder, vor allem im Osten, aus unreflektierter Gewohnheit benutzt. Aber nicht nur
sein Missbrauch in der DDR sollte Anlass sein, von der Benutzung des Begriffes Abstand
zu nehmen, sondern vor allem auch die Tatsache, dass ihn die Kommunisten zum Kampfinstrument
gegen die freiheitliche Ordnung westlicher Demokratien gemacht haben.
In der DDR propagierte die SED die Wesensverwandtschaft des Nationalsozialismus mit
dem „Imperialismus der BRD“. Das „Dritte Reich“ und sein Rechtsnachfolger hatten
demnach die gleiche ökonomische Basis, nämlich den Kapitalismus, allerdings einen
unterschiedlichen politischen Überbau. Der Gebrauch des Begriffs setzte bereits kurz
nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder ein. Schon früh nach dem Bruch der Allianz
mit den „kapitalistischen“ Westmächten begannen die Sowjets, ihre einstigen Kriegspartner
als faschistisch zu brandmarken. Auch das „imperialistische Adenauer-Regime“ stand
selbstverständlich in der faschistischen Tradition. Personen wie Heinrich Globke
dienten als geeignete Beispiele für diese These, wobei verschwiegen wurde, wie viele
Nazis in den Diensten der SED und der sowjetischen Führung standen. Hier wurden ehemalige
Nazis problemlos akzeptiert und integriert, wenn sie – wie etwa in der 1948 von der
SED gegründeten NDPD – bereit waren, sich nach ihren bisherigen Verfehlungen im NS-Staat
am Aufbau der nächsten Diktatur zu beteiligen. Eine Läuterung zum Demokraten westlicher
Prägung hingegen konnte gefährlich werden. Walter Ulbricht nutzte das Faschismus-Argument
auch zur Gleichschaltung der bürgerlichen Parteien CDU und LDP. Im Sommer 1949 erklärte
er, dass die Hauptgefahr für die SED nicht von den Nationalsozialisten ausgehe, „die
jetzt anständig arbeiten“, sondern von „Kreisen der CDU und LDP“ und des Ostbüros
der SPD.[3] Sie würden, so zwei Jahre später, von „Helfershelfern der Yankee-Faschisten
geleitet“.[4]
Auch Kurt Schumachers Sozialdemokraten waren nun wieder „Sozialfaschisten“. Die Tatsache,
dass die SED die SPD mit den Nationalsozialisten auf eine Stufe stellte, lässt sich
wahlweise als Beleidigung der SPD oder aber als Verniedlichung des Nationalsozialismus
deuten. Beide Deutungen sind richtig. Wer Adolf Hitler mit Demokraten wie Kurt Schumacher
oder Konrad Adenauer auf eine Stufe stellte, obwohl sich beide gegen die NS-Diktatur
gewehrt hatten, öffnete extremistischen Denken Tür und Tor. Schumacher ließ sich
im übrigen nicht die Butter vom Brot nehmen und nannte die SED-Kommunisten „rotlackierte
Nazis“.
Bedingt durch seine ideologische Ausrichtung trug und trägt der Begriff „Antifaschismus“
zur Verharmlosung des verbrecherischen NS-Regimes bei. Schon Karl Dietrich Bracher
hat es mit Blick auf die Bagatellisierung und Inflationierung des Faschismusbegriffs
als sinnvoll bezeichnet, von ihm Abstand zu nehmen.[5]
Die ideologisch begründete Ausdehnung des Faschismusbegriffs auf die Bundesrepublik
war nicht etwa nur ein Phänomen der frühen DDR, sie blieb vielmehr bis zum Ende der
SED-Herrschaft erhalten. Zwar wurden Helmut Kohl oder Willy Brandt nun nicht mehr
mit Faschisten gleichgestellt, das Konzept „Wandel durch Annäherung“ wurde aber als
ebenso imperialistische Strategie zum Roll back des Sozialismus enttarnt wie einst
Hitlers Raubzüge. Dieser Logik folgend war auch noch bis zum Fall der Mauer am 9.
November 1989 die Rede vom „antifaschistischer Schutzwall“. Der Begriff ließ ja wohl
keine andere Deutung zu, als dass sich die DDR mittels eines Schutzwalls vor Faschisten
schützen musste, die hinter der Mauer nur darauf warteten, den Sozialismus zu beseitigen.
Lag der Ku-Damm in West-Berlin also bereits mitten im faschistischen Territorium?
Als die DDR-Bewohner in der Nacht zum 10. November dorthin strömten, konnten sie
Faschismus pur erleben. Nicht schlecht der Faschismus, vor dem wir da geschützt wurden,
hätten sie sich denken können, wären die Menschen nicht klüger gewesen als von der
SED erlaubt.
Wer geglaubt hatte, dass es mit den Faschismus-Vorwürfen nun vorbei sei, sah sich
Anfang Januar 1990 getäuscht, als SED-PDS und Modrow-Regierung dubiose Nazi-Schmierereien,
die wohl die Stasi selbst angebracht hatte, für eine „Kampagne gegen rechts“ nutzte.
Bei einer Großveranstaltung am Berlin-Treptower Ehrenmal warf Gregor Gysi die Anhänger
der staatlichen Einheit Deutschlands nach altem KPD-Rezept mit rechtsextremen Kräften
in einen Topf. Hintergrund war der Versuch, das MfS in einen neuen sozialistischen
Verfassungsschutz umzuwandeln. Die Kampagne scheiterte am Widerstand demokratischer
Kräfte.[6]
Für die DDR lässt sich zusammenfassend sagen, dass sich das positive Bild der „Diktatur
des Proletariats“ mit der ideologisch begründeten Verniedlichung des diktatorischen
Charakters des NS-Regimes verband. Nicht die Gegenüberstellung von Diktatur und freiheitlicher
Demokratie dominierte über fast ein halbes Jahrhundert das offizielle Denken, sondern
die von Kapitalismus und Sozialismus. Sozialismus aber war „Diktatur des Proletariats“.
Diktatur war an sich nichts schlechtes, das Übel war der Kapitalismus.
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch im Westen seit Ende der 60er
Jahre viele bereit waren, die bis dahin übliche Trennung zwischen Diktatur und freiheitlicher
Demokratie aufzugeben. Der heute wieder eingeforderte antitotalitäre Grundkonsens
wurde im Westen Ende der 60er Jahre von großen Teilen der Linken aufgekündigt. Aber
das ist heute nicht unser Thema.
Welche Schlussfolgerungen lassen sich nun ziehen? Sicher ist es richtig, dass wir
im Osten hinsichtlich der Kenntnisse über den Nationalsozialismus dank einseitiger
kommunistischer Indoktrinierung Nachholbedarf haben. Es reicht nicht zu wissen, wie
viel Kommunisten in den Konzentrationslagern umgekommen sind und welche deutschen
Großkonzerne vom NS-Regime profitierten. Vor allem hinsichtlich von Kenntnissen über
den grauenvollen Umgang mit den jüdischen Mitbürgern und deren Vernichtung im Holocaust
gibt es Defizite. Die hiesige Regionalforschung über den NS-Staat hat noch viel zu
tun.
Das Kernproblem sind aber meines Erachtens nicht allein unzulängliche Kenntnisse
über das NS-Regime, sondern ist die Fähigkeit der klaren Unterscheidung zwischen
freiheitlicher Demokratie und Diktatur. Hier herrscht nicht nur im Osten Nachholbedarf.
Wie soll eine konsolidierte politische Bürgerkultur entstehen, wenn nicht einmal
der Unterschied zwischen Freiheit und Diktatur hinreichend thematisiert wird? Dafür
tragen aber nicht nur die Menschen im Osten Verantwortung. Sie waren es schließlich,
die der SED-Diktatur in einer Freiheitsrevolution ein Ende bereitet haben. Wer aber
redet über diese Ereignisse und bewahrt das daraus resultierende Freiheitsbewusstsein
und den Stolz in den Köpfen der nachwachsenden Generation? Eher wird vorgeschlagen,
den Feiertag der aus der friedlichen Revolution resultierenden deutschen Einheit
abzuschaffen, um das Negativsaldo des Finanzministers zu mindern. Im Westen redet
und forscht man ungern über die friedliche Revolution in der DDR, widerspricht das
doch dem Klischee vom Jammerossi. Wir Ostdeutschen dürfen uns unsere Auseinandersetzung
mit der friedlichen Revolution aber nicht von Leuten aus Ost oder West aus der Hand
schlagen lassen, denen die Ereignisse 1989/90 samt deutscher Einheit schon damals
nicht ins Konzept passte. Jede Unterrichtsstunde über das mutige Aufbegehren der
DDR-Bewohner und ihre Leistungen bei der Schaffung freiheitlich-demokratischer Verhältnisse
ist eine Lektion gegen Extremismus von links wie von rechts. Sie stärkt das freiheitliche
und demokratische Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger und nimmt extremistischen
Argumenten Wind aus den Segeln.
Solange mir altgediente Lehrer des Volkes, die uns schon seinerzeit in der POS die
Vorzüge diktatorischer Herrschaft zu vermitteln suchten, heute bei Lehrerfortbildungen
erklären, die DDR habe zwar Ecken und Kanten gehabt, sei aber alles in allem doch
so schlecht nicht gewesen, wird es auch gegenüber dem Dritten Reich solche Missverständnisse
geben. Die überall vollzogene Verniedlichung der DDR-Diktatur muss ein Ende haben.
Sie öffnet auch das Tor zur Verharmlosung des Nationalsozialismus.
Diktaturen müssen ohne wenn und aber Diktaturen genannt werden. Wer heute dazu beiträgt,
das politische System der DDR zu verniedlichen, trägt gleichzeitig zur Relativierung
der NS-Diktatur bei. Eltern oder Lehrer, die die Diktatur in der DDR schönreden,
um ihre eigene Mitverantwortung in einem milderen Licht erscheinen zu lassen und
die damit zugleich die heutige freiheitliche Demokratie diskreditieren, sind es,
die ihre Kinder in die Arme links- wie rechtsextremer Rattenfänger treiben. Schon
zu DDR-Zeiten kamen viele junge Anhänger der Neonaziszene aus Funktionärsfamilien.
Sie hatten ihre Lektion zwar gelernt, dass Diktatur nichts schlechtes sei, setzten
nun aber im Generationenkonflikt der von den Eltern bevorzugten roten Importdiktatur
ihr braunes Gegenmodell entgegen. Notwendig ist deswegen die Stabilisierung des antitotalitären
Grundkonsenses aller sich zur freiheitlichen Demokratie bekennenden Kräfte. Nur im
gemeinsamen Abwehrkampf gegen die Gegner der Demokratie von links wie von rechts
kann der NPD glaubwürdig und damit dauerhaft erfolgreich Paroli geboten werden.
[1] Vgl. Uwe Backes: Antifaschismus – Anmerkungen zu Begriff und Geschichte.
In: Agethen, Manfred/Jesse, Eckhard/Neubert, Erhart (Hg.): Der missbrauchte Antifaschismus.
DDR-Staatsdoktrin und Lebenslüge der deutschen Linken, Freiburg 2002, S. 32-35).
[2] So die sächsische KPD-Zeitung „Der Bolschewik“ Nr. 3 vom Januar
1932. Zit. bei Vollnhals, Sachsen in der NS-Zeit, S. 29 und 253.
[3] ULBRICHT: Zur Geschichte 3 S. 724.
[4] Die Organisationsarbeit der SED. Reden von W. Ulbricht und P. Verner
auf der Organisationskonferenz der SED. Beglaubigte Abschrift der LDP Kreis Osterburg
vom 23. Juni 1950 (ACDP III-013-628).
[5] Karl Dietrich Bracher: Zeitgeschichtliche Kontroversen. Um Faschismus,
Totalitarismus, Demokratie, 5. Auflage, München 1984.) (Uwe Backes: Antifaschismus
– Anmerkungen zu Begriff und Geschichte. In: Agethen, Manfred/Jesse, Eckhard/Neubert,
Erhart (Hg.): Der missbrauchte Antifaschismus. DDR-Staatsdoktrin und Lebenslüge der
deutschen Linken, Freiburg 2002, S. 32-35.
[6] Vgl. Richter, Die Staatssicherheit im letzten Jahr der DDR, S. 128-132.