Für dieses allgegenwärtige Thema konnten wir mit Professor Arenhövel einen ausgewiesenen Fachmann der internationalen Politik gewinnen, der Erfahrungen auch außerhalb Deutschlands in verschiedenen Ländern gewinnen konnte. Mehr als 30 Mitglieder waren erschienen, um den Beitrag von Professor Arenhövel zu hören und darüber zu diskutieren. Dies zeigt, dass das Thema für die praktische Politik Bedeutung besitzt.

In dem Vortrag ging es im Kern darum, ob es sich in der gegenwärtigen Politik um Getöse handelt, verursacht durch die wachsende Zahl von Populisten, die die Politik zunehmend bestimmen oder ob tatsächlich ein Paradigmenwechsel in der Politik langsam Raum greift. Die Frage ist also gestellt, geht das Zeitalter der liberalen Demokratie zu Ende, wie es der ungarische Ministerpräsident, Viktor Orban, behauptet.

Dazu stellte Professor Arenhövel einleitend fest:

“„Die Zeit ist aus den Fugen“, selten zuvor schien diese Bemerkung aus Shakespeares Hamlet so aktuell wie zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Die Institutionen und Normen einer liberalen Weltordnung scheinen gegenwärtig einem enormen Stresstest ausgesetzt und momentan scheint es mehr als offen zu sein, in welche Richtung sich die Welt wie auch die Weltordnungsvorstellungen in der nahen Zukunft entwickeln werden und was besonders irritiert ist der Umstand, dass dieser liberalen Weltordnung wie auch ihren Institutionen ein neuer Gegner gegenübergetreten ist, der lange als Garant eben dieser Ordnung gelten konnte: die Vereinigten Staaten von Amerika.

Die USA haben in ihrer Geschichte immer geschwankt zwischen Phasen des globalen Engagements und Phasen des Rückzugs und der Selbstbesinnung, doch deutet sich mit der Trump-administration eine neue Entwicklung an, die – aus einer sozialwissenschaftlichen distanzierten Perspektive aus betrachtet – noch spannend werden dürfte.“

Professor Arenhövel fuhr fort:

Schien es lange als fraglich, ob ein benevolenter Hegemon besser in der Lage sei, eine stabile Weltordnung zu garantieren als ein sicher austariertes bipolares Weltsystem, wie es sich nach dem 2. Weltkrieg etablierte und trotz oder wegen der atomaren Abschreckungsstrategie  die Konfrontation zwischen NATO und dem Warschauer Pakt im Kalten Krieg festfror, so deutete sich in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein grundlegender Wandel dieser Konstellation an.

Zwischenzeitlich sind aber neue Player auf der Weltbühne aufgetaucht: die Volksrepublik China und die wiedererstarkte, zumindest militärisch, Russische Förderation. Die Lage hat sich grundlegend geändert, die Weltpolitik gestaltet sich zunehmend multipolar.

Ein weiterer Absatz aus Professor Arenhövels Vortrag charakterisiert zutreffend die gesellschaftliche Situation, wie wir sie gegenwärtig in Deutschland erleben:

„Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird es für Liebhaber, Verehrer und Freunde der Demokratie zunehmend schwerer, diese unbefangen zu verteidigen oder – mehr noch – für sie zu werben. Ironischerweise hat das Modell der westlichen liberalen Demokratie nur kurz nach seinem vermeintlichen Triumph in der Systemkonkurrenz seinen Glanz als politische Orientierungsmarke und als Referenzrahmen für die sich transformierenden Systeme in Osteuropa, Asien und Afrika weitgehend eingebüßt, während sich im Inneren der westlichen Demokratien Substanzverluste ausmachen lassen, die Marcel Gauchet als „zivile Desertion“ umschrieben hat: ein zunehmender Ansehens- und Vertrauensverlust der zentralen politischen Institutionen, sinkende Wahlbeteiligung, Entfremdung der Jugendlichen von der Politik bei steigender Bereitschaft zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, ein nachlassendes Engagement in den öffentlichen Institutionen und gesellschaftlichen Großorganisationen, bei einer zunehmenden sozialen Desintegration durch extreme Wohlstandsunterschiede und eine wachsende Entsolidarisierung, etwa zwischen Jungen und Alten, Arbeitsplatzbesitzern und Arbeitslosen. All dies deutet auf eine schleichende Delegitimierung demokratischer Wohlfahrtspolitiken und die Erosion der sozio-moralischen Ressourcen“.„


Den gesamten Vortrage können Sie hier lesen, bitte anklicken


Am Ende stand eine rege Diskussion, an der sich auch Herr Lehmann als aktiver Politiker und Vorsitzender der Deutschen Delegation im Ausschuss der Regionen der EU beteiligte.

Vorträge leben davon, inwieweit Vortrag und Realität sich decken. Vieles von dem, was Professor Arenhövel vortrug spiegelt unsere gegenwärtige Gesellschaft wider. Er erhielt zu Recht viel Beifall.

19. Gesprächskreis der Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Sächsischen Landtages, Dresden, den 30.03.2019 mit Ministerpräsident Michael Kretschmer Staatskanzlei/Dresden

Alle waren gespannt den jüngsten ostdeutschen Ministerpräsidenten, Michael Kretschmer, zu treffen. War es doch seit dem ehemaligen MP Milbradt das erste Mal, dass sich wieder ein sächsischer MP zum Gesprächskreis angemeldet hat. Wir wurden nicht enttäuscht.

Zunächst stellte MP Kretschmer die gegenwärtigen Schwerpunkte seiner Arbeit und die der Landesregierung vor. Es war wie eine Leitartikel-Expertise aber mit tiefgründigen Erklärungen und Hintergrundinformationen:

- Gesellschaftlicher Wandel - Strukturwandel - Umwelt und Austieg aus der Braunkohle - Bundesergänzungszuweisungen - Erweiterung der Handlungsoptionen - Technologietransfer  und  know  how  insbesondere  aus dem

Gewinnungs- und Aufbereitungsbereich - Planungsbeschleunigungsgesetz - Schule und Medizinische Versorgung, insbesondere im ländlichen Raum waren weitere Schwerpunkte.


Was auffiel, der Vortrag war konzentriert, er war zeitlich gestrafft und dennoch ohne Lücken. Dies kam der nachfolgenden Diskussion zu Gute. Es folgten ca. 50 Minuten Diskussion. Von den 31 Teilnehmern kamen 15 zu Wort, dabei keine Wiederholungen in den Fragestellungen.

Sächsischer MP: Michael Kretschmer

Das Credo von MP Kretschmer zog sich durch die gesamte Diskussion: Schwerpunktaufgaben, wie den Strukturwandel z.B. in den sächsischen Braunkohlenrevieren konsequent angehen, die Bevölkerung auf dem Weg mitnehmen, Entscheidungen, die vor Ort getroffen werden können, auch vor Ort zu entscheiden und nach parteiübergreifenden Lösungen zu suchen.

Beim schwierigen Weg im sächsischen Schulwesen sieht er Fortschritte, aber noch nicht das Ende des Weges erreicht. Lehrermangel entsteht auch durch zunehmende Teilzeittätigkeit.

Bei dem geplanten aber noch nicht beschlossenen Kohleausstieg plädiert er für Bundeszuweisungen, um den Handlungsrahmen vor Ort zu erweitern und die Nutzung des vorhanden Technologie und know how Vorsprung auch als Exportchance.

Der MP plädierte für eine ausgewogene Entwicklung zwischen Stadt und Land. Die Entwicklung des ländlichen Raumes ist auch wegen der Bevölkerungsverteilung nicht zu vernachlässigen. Das gilt auch für die medizinische Versorgung.

Michael Kretschmer sieht die Notwendigkeit den Rechtsstaat zu verteidigen, eine wehrhafte Demokratie ist Voraussetzung dafür. DDR-Nostalgie ist dabei wenig hilfreich. Ein Vergleich des Erreichten zur Ausgangssituation 1990 müsste jedem die großen Fortschritte vor Augen führen.

Dr. Geißler, der erste Sächsische Gesundheitsminister, gab abschließend noch einige Hinweise zum Krankenhausgesetz, das jetzt zur Novelle im Sächsischen Landtag ansteht.


Der MP wurde mit großem Beifall verabschiedet. Er hat überzeugt, was für die bevorstehenden Landtagswahlen im Herbst 2019 nicht unwichtig ist. Wir würden ihn gerne wieder einladen.

Veranstaltungen des Gesprächskreises

der VeMdL e.V.

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